Ärzteschaft: Alkohol

Alkoholkonsum im Alter

Die stille Epidemie?

Der problematische Alkoholkonsum bei älteren Frauen und Männern bleibt häufig unerkannt (Berks/McCormick 2008) oder wird falsch diagnostiziert (Loukissa 2007). Da die Generation der Babyboomer in die Jahre kommt, wurde seit Mitte der 2000er-Jahre eine Zunahme der alkoholbedingten Erkrankungen von älteren Menschen vorausgesagt (Bowman/Gerber 2006). Dies führte dazu, den problematischen Alkoholkonsum bei den über 60-jährigen als unsichtbare Epidemie zu beschreiben (Sorocco/Ferrell 2006).

Zahlen und Fakten

In der Schweiz sind 250'000 bis 300'000 Personen alkoholabhängig. Das Suchtmonitoring zeigt, dass der tägliche Alkoholkonsum sowohl bei Männern als auch Frauen mit dem Alter zunimmt. Er beträgt bei den 65- bis 74-Jährigen 22,2% und erreicht bei den über 74-Jährigen mit 26,2% die höchsten Anteile (Gmel et al. 2016). Der risikoreiche Alkoholkonsum, gemessen am täglichen Durchschnittskonsum in Gramm, ist zu Beginn des Rentenalters am stärksten: 7,1% der Männer und Frauen im Alter von 65 bis 74 Jahren weisen einen chronisch-risikoreichen Alkoholkonsum auf. Chronisch-risikoreicher Konsum bedeutet, dass ein Mann im Durchschnitt mehr als 40 Gramm reinen Alkohol pro Tag konsumiert. Bei den Frauen spricht man von durchschnittlich über 20 Gramm pro Tag. Dies entspricht ungefähr vier respektive zwei Gläsern Wein.

Hinschauen und Handeln

Ein problematischer Alkoholkonsum kann in jedem Alter zu medizinischen, psychischen oder sozialen Beeinträchtigungen führen, ohne dass die Kriterien für die Abhängigkeit erfüllt sind. Darüber hinaus finden beim Älterwerden körperliche, psychische und soziale Veränderungen statt, die bei der Entwicklung des problematischen Konsums oder der Alkoholabhängigkeit besonders berücksichtigt werden müssen. Eine zunehmende Anzahl von Studien zeigt, dass Erkrankungen, die im höheren Alter häufig verbreitet sind (wie z. B. Diabetes, Bluthochdruck, gastrointestinale Erkrankungen, Schlaflosigkeit, Demenz und Depression) durch hohen Alkoholkonsum negativ beeinflusst werden (Moor et al. 2005; Holahan et al. 2010; Barnes et al. 2010; Sacco et al. 2009; Platt et al. 2010, Brennan et al. 2011). Zusätzliche Komplikationen können durch Wechselwirkungen mit Medikamenten oder mit weiteren Störungen entstehen, welche insbesondere mit dem Alter verbunden sind, wie z. B. Diabetes mellitus oder Demenzerkrankungen.

Wichtig ist es, den problematischen Alkoholkonsum zu erkennen und zwischen einem problematischen Konsum und der Abhängigkeit differenzieren zu können. Zu erkennen ist eine Alkoholproblematik mittels geeigneter Screening-Instrumente. Diese sind somit auch Entscheidungshilfen, wann eine Unterstützung durch suchtmedizinisch erfahrene Fachpersonen sinnvoll bzw. notwendig ist.

Quellen

  • Berks J, McCormick R. Screening for alcohol misuse in elderly primary care patients: a systematic literature review. International psychogeriatrics 2008; 20(6): 1090-103.
  • Bowman PT, Gerber S. Alcohol in the older population, Part 1: Grandma has a drinking problem? The Case manager 2006; 17(5): 44-8.
  • Bowman PT, Gerber S. Alcohol in the older population, Part 2: MAST you speak the truth in an AUDIT or are you too CAGE-y? The Case manager 2006; 17(6): 48-53, 59.
  • Gmel G, Kuendig H, Notari L, Gmel C. Suchtmonitoring Schweiz - Konsum von Alkohol, Tabak und illegalen Drogen in der Schweiz im Jahr 2015. Lausanne; Sucht Schweiz; 2016.
  • Loukissa D. Under diagnosis of alcohol misuse in the older adult population. British journal of nursing 2007; 16(20): 1254-8.
  • Sorocco KH, Ferrell S W. Alcohol use among older adults. The Journal of general psychology 2006; 133(4): 453-67.

Informationen für Ärzteschaft

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