Ärzteschaft: Alkohol
Entzug
Mit Beginn der Alkoholabstinenz können Entzugssymptome auftreten. Zum leichten Entzug zählen Zittern der Extremitäten, Schlafstörungen, Ängste, Herzrasen oder ein erhöhter Blutdruck. Beim schweren Entzug können zusätzlich Desorientierung, optische, akustische oder taktile Halluzinationen und als Komplikationen generalisierte Krampfanfälle oder in ca. 5% das Vollbild eines Delirium tremens auftreten.
Grundsätzlich finden sich die Symptome des Entzugs in jedem Lebensalter. Einfluss auf die Heftigkeit der Entzugssymptome haben die Schwere und Dauer der Erkrankung sowie die Anzahl der bereits durchgeführten Entzugsbehandlungen. Dies trägt dazu bei, dass bei langjähriger Alkoholabhängigkeit, wie sie beim early-onset Alkoholismus vorliegt, auch schwerere Entzugsverläufe bzw. häufigere Entzugskomplikationen drohen. Darüber hinaus beeinflussen die im Alter häufiger auftretenden somatischen Erkrankungen, wie z. B. Bluthochdruck oder Diabetes mellitus, die Entzugsverläufe zusätzlich negativ.
Entzugsbehandlungen können in allen Settings – ambulant, tagesklinisch und stationär – durchgeführt werden. Angebote finden sich im suchtindex.ch. Für das ambulante Setting ist eine hohe Compliance erforderlich. Darüber hinaus bedarf es wegen möglicher Komplikationen einer engmaschigen Betreuung, z. B. durch tägliche Kurzkontakte.
Etwa ein Drittel bis die Hälfte der Betroffenen benötigt eine medikamentöse Behandlung. Dabei ist vor allem im höheren Lebensalter auf eine metabolische Entgleisung zu achten, was die Gabe von Elektrolyten, Flüssigkeit und Vitaminen, insbesondere Thiamin und Magnesium, notwendig macht. Als entzugslindernde Medikamente werden vor allem Benzodiazepine oder Clomethiazol eingesetzt. In der ambulanten oder teilstationären Behandlung haben sich auch Carbamazepin oder Oxcarbazepin bzw. Tiaprid oder Clonidin bewährt.
Clomethiazol verstärkt die hemmende Wirkung der zerebral wirkenden Gamma-Amino-Buttersäure (GABA) und wirkt entsprechend sedierend, angstlösend und antikonvulsiv. Es wird mit einer Halbwertszeit von 4-6 Stunden in der Leber abgebaut und über die Nieren ausgeschieden. Der Abbau in der Leber verläuft bei älteren Menschen erheblich langsamer als bei jüngeren. Es wirkt der Delirentwicklung entgegen. Wegen des bestehenden Abhängigkeitspotenzials sollte Clomethiazol innerhalb von 8 bis 10 Tagen wieder abgesetzt und ambulant nicht eingesetzt werden, sondern nur in einer Klinik unter Anleitung eines Facharztes Anwendung finden.
Unter Clomethiazol kommt es zur Blutdruck- und Pulsnormalisierung. Nebenwirkungen können Unverträglichkeitsreaktionen im Sinne des Exanthems, Hustenreiz sowie Augentränen sein. Die Bronchialsekretion wird angeregt, weshalb das Medikament bei Asthma sowie bronchialen und akuten Lungenerkrankungen nicht angewendet werden sollte. Bei Schlafapnoesyndrom kann es zu lebensbedrohlichen zentralen Atemlähmungen kommen. Aufgrund der Wirkungsverstärkung besteht darüber hinaus eine Kontraindikation bei gleichzeitiger Gabe von Tranquilizern (Cave: Benzodiazepine), Neuroleptika oder Alkohol. Eine Wirksamkeitsbeschränkung für das Alter wurde bislang nicht angegeben. Allerdings müssen bei bestimmten altersbedingten Erkrankungen, wie oben erwähnt, Kontraindikationen für Clomethiazol beachtet werden.
In den vergangenen Jahren wurde häufig das lang wirksame Benzodiazepin Diazepam eingesetzt. Mittlerweile kommen routinemässig wegen ihrer besseren Steuerbarkeit kürzer wirksame Benzodiazepine wie Lorazepam oder Oxazepam zur Anwendung, mit dem weiteren Vorteil einer geringeren Kumulation in der Leber und einer verringerten Nebenwirkungsrate, was sie für den Einsatz bei älteren Menschen mit Entzugssymptomen besonders geeignet erscheinen lässt (Letizia/Reinbolz 2005). Benzodiazepine wirken über eine Kreuztoleranz mit Alkohol, sie zeigen eine hohe therapeutische Breite und einen raschen Wirkungseintritt. Darüber hinaus sind sie weniger toxisch als Clomethiazol, und es kommt seltener zu allergischen oder pulmonalen Reaktionen.
Nebenwirkungen sind Atemdepression, Tachykardie sowie Muskelrelaxation. Bei Myasthenia gravis sowie bei Schlafapnoesyndrom sollten Benzodiazepine nicht eingesetzt werden. Wegen des bestehenden Abhängigkeitspotenzials sollte auch hier die Behandlung nicht länger als 7 bis 10 Tage erfolgen.
Quellen
- Letizia M, Reinbolz M. Identifying and managing acute alcohol withdrawal in the elderly. Geriatric nursing 2005; 26: 176-83.