Behandlung

In der Schweiz werden ungefähr 60 % der Behandlungen mit Opioid-Agonisten durch Hausärzte und Hausärztinnen durchgeführt. Die restlichen circa 40 % von Spitälern, psychiatrischen Diensten sowie spezialisierten Institutionen. Die Abgabe der Opioid-Agonisten kann zudem an Apotheken delegiert werden – ausser Diacetylmorphin, welches aufgrund von besonderen Bestimmungen nur in spezialisierten Institutionen abgegeben wird (BAG 2021). In spezialisierten Institutionen geht das Angebot über die medizinische Betreuung hinaus und es werden auch psychosoziale Begleitung und Beratung vor Ort angeboten. Der Zugang zu einer Opioid-Agonisten-Therapie (OAT) sollte allen Menschen mit einer Opioidabhängigkeit ermöglicht werden. Die Dauer einer OAT soll zudem nicht befristet sein.

Behandlungsgrundsatz

Es besteht die Möglichkeit, dass Menschen mit einer Opioidabhängigkeit nicht nur unter Stigmatisierung oder traumatischen Ereignissen gelitten, sondern auch negative Erfahrungen mit dem Gesundheitssystem gemacht haben. Dies gilt es zu berücksichtigen (Anderson/Levy 2003; Carlsen et al. 2019; Conner/Rosen 2008; Schmid et al. 2018; Smith/Rosen 2009). Im Alter können gesellschaftliche Vorurteile aufgrund des Alters hinzukommen. So kann es vorkommen, dass ältere Menschen mit einer Opioidabhängigkeit auch innerhalb dieser Subgruppe marginalisiert und stigmatisiert werden (Anderson/Levy 2003; Carlsen et al. 2019; Vogt 2009). Diesen Diskriminierungs- und Stigmatisierungserfahrungen gilt es Rechnung zu tragen.

Besonderheiten bei älteren Personen

Ältere Menschen gehören zu den stabileren Patientinnen und Patienten, brechen Behandlungen demnach auch signifikant weniger häufig ab (z. B. Burns et al. 2009; Mancino et al. 2010). Ebenfalls seltener wählen sie einen Totalentzug von Opioiden, sondern bevorzugen die Beibehaltung der Dosis. Dabei wird oftmals eine höhere Dosis gewählt als bei jüngeren Personen. Dies womöglich aufgrund der vermehrt auftretenden chronischen Schmerzen (Doukas 2017; Gurnack/Atkinson/Osgood 2001; Hiltunen et al. 1995).

Eine problematische Besonderheit in Zusammenhang mit der OAT im Alter stellt der zunehmend prekäre Venenstatus der Patientinnen und Patienten dar. Auch Tremor oder Sehprobleme können die intravenöse Verabreichung des Opioid-Agonisten in der heroingestützten Behandlung erschweren. Eine Umstellung der Form der Applikation ist oftmals angezeigt.

Generell sollten Dosissteigerung oder Änderungen der Applikationsform vorsichtig geschehen («start low, go slow»), um Rückfälle in polyvalenten Drogenkonsum zu vermeiden, aber auch um den reduzierten Arzneimittelstoffwechsel zu berücksichtigen, z. B. aufgrund der verminderten renalen und hepatischen Elimination im Alter oder bei Leberzirrhosen (Dürsteler-MacFarland/Schmid/Vogel 2009). Auch im Alter gilt: der Opioid-Agonist muss individuell und vorsichtig gewählt werden (siehe Wahl des Opioid-Agonisten) (Dürsteler-MacFarland/Schmid/Vogel 2009; Smith/Passik 2008). Die einzigen vorliegenden Leitlinien zur OAT bei älteren Personen empfehlen eine Reduktion von Anfangsdosis und Dosissteigerung um 25 – 50 % (Rieb et al. 2020).

Im Alter kann – aufgrund von neurokognitiven Defiziten – die Zuverlässigkeit der Medikamenteneinnahme eingeschränkt sein. Eine Abgabe (von Medikamenten oder des Opioid-Agonisten) im Wochendosett oder der tägliche Bezug der Medikation kann hier Unterstützung bieten. Wobei Letzteres für viele Menschen einen Eingriff in die autonome Lebensführung darstellt (siehe auch Interaktionen und Polypharmazie und Pflegebedarf und Autonomie) (Dürsteler-MacFarland/Schmid/Vogel 2009).

Hinsichtlich therapeutischer Massnahmen sollte auch eine Anpassung der Behandlung in Erwägung gezogen werden. Eine verminderte Aufmerksamkeits- und Merkfähigkeit (siehe Komorbiditäten) können im Alter vermehrt auftreten. Die Anpassung der Behandlung auf individuelle Bedürfnisse ist somit notwendig (z. B. kürzere Sessions oder Aufnahmen zum Nachhören) (Dürsteler 2015; Dürsteler­MacFarland/Herot Cereghetti/Wiesbeck 2005).

Quellen

  • Anderson TL, Levy JA. Marginality among older injectors in today’s illicit drug culture: assessing the impact of ageing. Addiction 2003; 98(6): 761-770.
  • Bundesamt für Gesundheit. Webseite. Substitutionsgestützte Behandlungen bei Opioidabhängigkeit. https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/gesund-leben/sucht-und-gesundheit/suchtberatung-therapie/substitutionsgestuetzte-behandlung.html, Zugriff 30.05.2022.
  • Burns L, Randall D, Hall WD et al. Opioid agonist pharmacotherapy in New South Wales from 1985 to 2006: patient characteristics and patterns and predictors of treatment retention. Addiction 2009; 104(8): 1363-1373.
  • Carlsen SE L, Gaulen Z, Alpers SE, Fjaereide M. Beyond medication: life situation of older patients in opioid maintenance treatment. Addiction Research & Theory 2019; 27(4): 305-313.
  • Conner KO, Rosen D. “Your nothing but a junkie”: the multiple experiences of stigma in an aging methadone maintenance population. Journal of Social Work Practice in the Addictions 2008; 8(2): 244-264.
  • Doukas N. Older adults prescribed methadone for opiate replacement therapy: a literature review. Journal of Addiction and Preventive Medicine 2017; 2(1): 109.
  • Dürsteler-MacFarland KM. The brain-behavioral connection in substance use disorders and effects associated with injectable opioid prescription. München: Herbert Utz Verlag; 2015.
  • Dürsteler-MacFarland KM, Herdener M, Vogel M. Probleme älterer Patienten in Substitutionsbehandlung. Suchttherapie 2014; 3: 113-117.
  • Dürsteler-MacFarland KM, Herot Cereghetti K, Wiesbeck GA. Neurocognitive impairment: an underdiagnosed comorbid entity in the treatment of substance use disorders? In: R Stohler, W Rössler (Hrsg.), Dual diagnosis: the evolving conceptual framework (Vol. 172) (pp. 115-136). Basel: Karger; 2005.
  • Dürsteler-MacFarland KM, Schmid O, Vogel M. Ältere OpiatkonsumentInnen in Substitutionsbehandlungen. Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis 2009; 41(3): 569-578.
  • Dürsteler-MacFarland KM, Vogel M. Substitutionsbehandlungen kommen in die Jahre – die PatientInnen auch. SuchtMagazin 2010; 36(3): 29-33.
  • Gurnack AM, Atkinson RM, Osgood NJ. Treating alcohol and drug abuse in the elderly. New York: Springer; 2001.
  • Hiltunen AJ, Lafolie P, Martel J et al. Subjective and objective symptoms in relation to plasma methadone concentration in methadone patients. Psychopharmacology (Berl) 1995; 118(2): 122-126.
  • Mancino M, Curran G, Han X et al. Predictors of attrition from a national sample of methadone maintenance patients. American Journal of Drug and Alcohol Abuse 2010; 36(3): 155-160.
  • Rieb LM, Samaan Z, Furlan AD et al. Canadian guidelines on opioid use disorder among older adults. Canadian Geriatrics Journal 2020; 23(1): 123-134.
  • Schmid O, Müller T, Fehr S, Vogel M. Werden drogenkonsumierende Menschen stigmatisiert? Suchtmedizin 2018; 20(5): 315-322.
  • Smith HS, Passik SD. Pain and chemical dependency. New York: Oxford University Press; 2008.
  • Smith ML, Rosen D. Mistrust and self­isolation: barriers to social support for older adult methadone clients. Journal of Gerontological Social Work 2009; 52(7): 653-667.
  • Stohler R, Dürsteler-MacFarland KM. Cocaine and opiate related disorders. Therapeutische Umschau 2003; 60: 329-333.
  • Vogt I. Lebenslagen und Gesundheit älterer Drogenabhängiger: ein Literaturbericht. Suchttherapie 2009; 10: 17-24.

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