Komorbiditäten

Komorbiditäten nehmen einen wichtigen Stellenwert im Gesamtkonzept der Opioid-Agonisten-Therapie (OAT) ein. Die meisten Komorbiditäten bei Personen in einer OAT werden gleich oder ähnlich behandelt wie bei Patientinnen und Patienten ohne Opioidabhängigkeit (BAG 2013).

Die über 50-jährigen Personen in einer OAT weisen im Vergleich zur gleichaltrigen Allgemeinbevölkerung einen schlechteren Gesundheitszustand sowie ein niedrigeres soziales Funktionsniveau auf (Köck et al. 2021). Durch die verbesserte Lebenserwartung von OAT Patientinnen und Patienten nehmen auch die Begleiterkrankungen zu. Körperliche Erkrankungen treten meist früher ein als in der Allgemeinbevölkerung, psychische Funktionseinbussen werden verschärft (Doukas 2017; Gaulen et al. 2017; Medved et al. 2020; Rajaratnam et al. 2009; Rosen/Smith/Reynolds 2008). Ein beachtlicher Anteil der Patientinnen und Patienten in OAT (trotz ca. 60 % Bezug von Opioid-Agonist via hausärztliche Praxen – siehe Behandlung) befindet sich nicht in allgemeinärztlicher Behandlung. Teilweise springen hier Suchtmediziner und -medizinerinnen ein. Aufgrund der zunehmenden Komplexität von somatischen und psychiatrischen Erkrankungen ist die Eingliederung von älteren Personen in einer OAT in die internistische und allgemeinmedizinische Versorgung von grosser Bedeutung (Dürsteler-MacFarland/Schmid/Vogel 2009).

Es ist deshalb zentral, dass Ärztinnen, Ärzte und Fachpersonen sowohl über somatisches als auch psychiatrisches Know-how verfügen (siehe somatische Aspekte und psychiatrische Aspekte). Meist ist deshalb eine multi- und interdisziplinäre Zusammenarbeit von verschiedenen Fachpersonen angezeigt, die nur in einem gut funktionierenden Versorgungsnetzwerk möglich ist (siehe Versorgung) (Dürsteler-MacFarland/Schmid/Vogel 2009). Die gehäuften Komorbiditäten im Alter führen zu einer komplexen Medikation. Wechselwirkungen auch in Zusammenhang mit der OAT sind teilweise schwierig zu kontrollieren (siehe Wahl des Opioid-Agonisten) (Dürsteler-MacFarland/Schmid/Vogel 2009).

Neurokognitive Einschränkungen

Bei opiatabhängigen Menschen treten teilweise frühzeitig neurokognitive Defizite auf, wie Störungen der Aufmerksamkeit, der Merkfähigkeit oder der planerischen Funktionen. Langjähriger Konsum von Alkohol, Benzodiazepinen oder Kokain verstärken diese Defizite. Auch chronische Infektionskrankheiten (z. B. HIV oder Hepatitis C) können sich negativ auf das Gehirn auswirken (Dürsteler­MacFarland/Herot Cereghetti/Wiesbeck 2005). Neurokognitive Einschränkungen können sich auch negativ auf nicht-pharmakologische Therapien und – aufgrund geringer Compliance – auf die OAT auswirken. Defizitäre Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsfunktionen mindern wiederum die Erfolgsaussichten von nicht-pharmakologischen Therapien (Dürsteler­MacFarland/Herot Cereghetti/Wiesbeck 2005). Zudem büsst die Medikamenteneinnahme bei neurokognitiven Einschränkungen an Zuverlässigkeit ein. Dies sollte folglich bei Planung und Durchführung der Behandlung unbedingt berücksichtigt werden (Dürsteler 2015; Dürsteler­MacFarland/Herot Cereghetti/Wiesbeck 2005).

Quellen

  • Bundesamt für Gesundheit. Substitutionsgestützte Behandlungen bei Opioidabhängigkeit (Empfehlungen Revision 2013). Bern: BAG; 2013.
  • Doukas N. Older adults prescribed methadone for opiate replacement therapy: a literature review. Journal of Addiction and Preventive Medicine 2017; 2(1): 109.
  • Dürsteler-MacFarland KM. The brain-behavioral connection in substance use disorders and effects associated with injectable opioid prescription. München: Herbert Utz Verlag; 2015.
  • Dürsteler-MacFarland KM, Schmid O, Vogel M. Ältere OpiatkonsumentInnen in Substitutionsbehandlungen. Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis 2009; 41(3): 569-578.
  • Dürsteler-MacFarland KM, Herot Cereghetti K, Wiesbeck GA. Neurocognitive impairment: an underdiagnosed comorbid entity in the treatment of substance use disorders? In: R Stohler, W Rössler (Hrsg.), Dual diagnosis: the evolving conceptual framework (Vol. 172) (pp. 115-136). Basel: Karger; 2005.
  • Gaulen Z, Alpers SE, Carlsen SE L, Nesvåg S. Health and social issues among older patients in opioid maintenance treatment in Norway. Nordic Studies on Alcohol and Drugs 2017; 34(1): 80-90.
  • Köck P, Schmalz AM, Walter M, Strasser J, Dürsteler KM, Vogel M. Herausforderungen der Opioid-Agonistentherapie aus der Perspektive der Mitarbeitenden in Behandlungszentren: Ergebnisse einer Online-Umfrage. Nervenheilkunde 2021; 40(8): 609-614.
  • Medved D, Clausen T, Bukten A, Bjørnestad R, Muller AE. Large and non-specific somatic disease burdens among ageing, long-term opioid maintenance treatment patients. Substance Abuse Treatment, Prevention, and Policy 2020; 15: 87.
  • Rajaratnam R, Sivesind D, Todman M, Roane D, Seewald R. The aging methadone maintenance patient: treatment adjustment, long-term success, and quality of life. Journal of Opioid Management 2009; 5(1): 27-37.
  • Rosen D, Smith ML, Reynolds CF. The prevalence of mental and physical health disorders among older methadone patients. American Journal of Geriatric Psychiatry 2008; 16(6): 488-497.

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