OAT bei älteren Menschen

Gemäss einer Studie von Nordt/Stohler (2006) lag der Höhepunkt der Inzidenz des Heroingebrauchs anfangs der 1990er Jahre und nimmt seither kontinuierlich ab. Ebendiese Kohorte erreicht jedoch zunehmend ein höheres Lebensalter. Das durchschnittliche Alter von Personen in einer Opioid-Agonisten-Therapie (OAT) ist steigend (Dufort/Samaan 2021; Dürsteler/Vogel 2016; Maffli/Delgrande Jordan 2010). Heute sind 75 % der OAT-Patientinnen und Patienten über 40 Jahre alt (substitution.ch 2020). Die OAT wird mehr und mehr zu einer Therapieform für (vor-)gealterte Patientinnen und Patienten (Köck et al. 2021).

Die Wirksamkeit der OAT führt dazu, dass sich in Zukunft eine deutliche Zunahme von älteren Patientinnen und Patienten abzeichnet (Dürsteler-MacFarland et al. 2014). Aufgrund von schadensmindernden Angeboten, wie OAT oder Therapien im Bereich HIV- und Hepatitis-C-Infektionen, bleiben Menschen mit einer Opioidabhängigkeit länger am Leben und werden somit zunehmend älter. Menschen mit einer Abhängigkeit altern zudem schneller. Der Gesundheitszustand einer 50-jährigen Person mit einer Abhängigkeit entspricht jedoch in etwa jenem einer 70-jährigen Person ohne Abhängigkeit (Praxis Suchtmedizin 2020). Während Personen in der Allgemeinbevölkerung ab dem 65. oder 70. Lebensjahr als «älter» oder «alt» gelten, werden Personen in einer OAT bereits ab einem Alter von 45 oder sogar 40 Jahren so bezeichnet (Dürsteler-MacFarland et al. 2011).

Wie in der älteren Bevölkerung üblich, häufen sich Erkrankungen (wie Bluthochdruck oder Diabetes) und somit auch die Einnahme verschiedener Medikamente. Hinzu kommen somatische und psychiatrische Komorbiditäten (siehe Komorbiditäten, somatische Aspekte und psychiatrische Aspekte). Nebst vorzeitiger Alterung um etwa 10 bis 20 Jahre und vermindertem Gesundheitszustand, befinden sich ältere Menschen in einer OAT auch in einem niedrigen sozialen Funktionsniveau (Cheng et al. 2013; Lintzeris 2015; Reece 2010).

Menschen in einer OAT haben demnach – im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung – viel früher Hilfe- und Pflegebedarf. Dies wiederum stellt Alters- und Pflegeinstitutionen vor neue Herausforderungen (siehe Versorgung) (Praxis Suchtmedizin 2020).

Der Anteil älterer Konsumierender von harten und illegalen Substanzen wird auch in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Trotz der steigenden Relevanz in der klinischen Praxis gibt es vergleichsweise wenig wissenschaftliche Untersuchungen, die sich mit alternden Menschen in einer OAT beschäftigt haben (Dürsteler/Vogel 2016; Carew/Comiskey 2018).

Risiken und Schwierigkeiten

Altersbedingt können bei Menschen mit einer Opioidabhängigkeit unterschiedliche Problematiken auftreten, unter anderem (Dürsteler-MacFarland et al. 2014):

  • Schlechterer Allgemeinzustand
  • Somatische Erkrankungen (z. B. HIV, Hepatitis C, COPD)
  • Sturzgefahr & Frakturen
  • Psychiatrische Erkrankungen
  • Pharmakologische Aspekte
  • Neurokognitive Defizite
  • Schwierigkeiten bei zunehmender Hilfsbedürftigkeit
  • Zunehmende Immobilität
  • Beikonsum

Die potenziellen Problematiken sollten besonders auch in die psychotherapeutische Behandlung einfliessen (siehe Behandlung und therapeutische Aspekte). Für weitere Informationen zu Polypharmazie siehe Interaktionen und Polypharmazie.

Quellen

  • Bundesamt für Gesundheit. Substitutionsgestützte Behandlungen bei Opioidabhängigkeit (Empfehlungen Revision 2013). Bern: BAG; 2013.
  • Bundesamt für Gesundheit. Webseite. Substitutionsgestützte Behandlungen bei Opioidabhängigkeit. https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/gesund-leben/sucht-und-gesundheit/suchtberatung-therapie/substitutionsgestuetzte-behandlung.html, Zugriff 30.05.2022.
  • Carew AM, Comiskey C. Treatment for opioid use and outcomes in older adults: a systematic literature review. Drug and Alcohol Dependence 2018; 182: 48-57.
  • Cheng GL, Zeng H, Leung MK et al. Heroin abuse accelerates biological aging: a novel insight from telomerase and brain imaging interaction. Translational Psychiatry 2013; 3: e260.
  • Dufort A, Samaan Z. Problematic opioid use among older adults: epidemiology, adverse outcomes and treatment considerations. Drugs & Aging 2021; 38(12): 1043-1053.
  • Dürsteler-MacFarland KM, Vogel M. Opioidsubstitution im Alter: ein Update. SuchtMagazin 2016; 5: 18-21.
  • Dürsteler-MacFarland KM, Vogel M, Wiesbeck GA, Petitjean SA. There is no age limit for methadone: a retrospective cohort study. Substance Abuse Treatment, Prevention, and Policy 2011; 6: 9.
  • Dürsteler-MacFarland KM, Herdener M, Vogel M. Probleme älterer Patienten in Substitutionsbehandlung. Suchttherapie 2014; 3: 113-117.
  • European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction. Webseite. Opioids: health and social responses. https://www.emcdda.europa.eu/publications/mini-guides/opioids-health-and-social-responses_en; 30.05.2022.
  • Köck P, Schmalz AM, Walter M, Strasser J, Dürsteler-MacFarland KM, Vogel M. Herausforderungen der Opioid-Agonistentherapie aus der Perspektive der Mitarbeitenden in Behandlungszentren. Ergebnisse einer Online-Umfrage. Nervenheilkunde 2021; 40(8): 609-614.
  • Maffli E, Delgrande Jordan M. Altersentwicklung in der Suchthilfe: neue Herausforderungen für die Praxis? SuchtMagazin 2010; 3: 16-19.
  • Nordt C, Stohler R. Incidence of heroin use in Zurich, Switzerland: a treatment case register analysis. Lancet 2006; 368(9530): 118.
  • Lintzeris N. Treatment of patients with opioid dependence. MedicineToday 2015; 16(6): 10-15.
  • Praxis Suchtmedizin. Webseite. Opioidagonistentherapie (OAT) bei Opioidabhängigkeit. https://www.praxis-suchtmedizin.ch/index.php/de/heroin, Zugriff 31.05.2023.
  • Reece, AS. Chronic immune stimulation as a contributing cause of chronic disease in opiate addiction including multi-system ageing. Medical Hypotheses 2010; 75: 613-619.
  • Nationale Substitutionsstatistik. Webseite. Jährliche Statistik, 2021. https://www.substitution.ch/de/jahrliche_statistik.html, Zugriff 30.05.2022.

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